Mein Ur-Grossvater Rudolph Then-Bergh – ein Leben für die Pferde

Mein Ur-Grossvater Rudolph Then-Bergh, Gründer des Werner Stalles für Vollblüter, wurde als eines von 8 Kindern des Kaufmannes Eduard Then-Bergh am 28. Mai 1851 in Wesel am Niederrhein geboren.

Nach Schule und Studium der Veterinärmedizin liess er sich Anfang der 70-ziger Jahre in Werne a.d. Lippe als Tierarzt nieder und galt wegen seiner Liebe zu den Pferden, seiner Reitbegeisterung, -begabung (er nahm schon in seiner Jugend mit Erfolg an etlichen Pferderennen teil) und seinem grossen Urteilsvermögen schon bald als Autorität in der Behandlung kranker Pferde.. Sein Training edeler Rennpferde führte ihn dann 1875 zur Gründung eines eigenen Rennstalles in Werne.

Was anfänglich mit nur ein paar eigenen Pferden begann, vergrösserte sich im Jahr 1880 durch Übernahme und Pflege fremder Rennpferde, vor allen Dingen der Pferde der sportbegeisterten und passionierten Aachener Familie Suermondt. Damit brach die sich über Jahrzehnte erstreckende Glanzzeit des Werner Rennstalles an, die auch den Ort Werne a.d. Lippe, bis dahin auf der Landkarte nicht zu finden, bekannt machte.

Zum Erfolg des Stalles trugen, neben ausgezeichneten Pferden und der absoluten Treue und Zuverlässigkeit der Angestellten, immer auch Reiter der Spitzenklasse bei, davon etliche von meinem Ur-Grossvater entdeckt und gefördert, wie u.a. Leutnant Otto Suermondt (24. Dragoner) (1463 Rennen geritten, davon 506 siegreich), der Engländer Broley, Leutnant von Mossner (23. Dragoner) (1215 Rennen geritten, davon 298 Siege), Leo Printen und Josef Birghan, später selbst erfolgreicher Trainer in Köln.

Zwei Jahre wohnte im Stall Werne der Jockei Holtmann, welcher zu der Zeit den Titel „Erster Jockei Deutschlands“ trug. Daher ist es leicht zu erklären, dass grosse Leistungen den jährlichen Reingewinn des Werner Stalles in mächtige Höhen trieben.

Lange Jahre beherbergte und trainierte der Stall ca. 50 Pferde der Familien Suermondt (Aachen), Bischoff (Gelsenkirchen) und Mecklenburg (Hamburg). Daraus gingen Sieger hervor wie:
Frondeur – Florham – Fronhoff  - Diamant – Rautendelein – Green Dragon – Stormy Ocean – Meistersinger – Perlhuhn  und Markolf.

Die Pferde des Werner Stalles wurden hauptsächlich in Hindernisrennen eingesetzt. Ein aussergewöhnliches Pferd war Frondeur. Der Aachener Suermondt hatte es ursprünglich als Reitpferd für seinen Bruder gekauft. Beim ersten Reitversuch brannte das damals 4-jährige Pferd aber dermassen durch, dass Suermondt es als ziemlich hoffnungslos dem Werner Rennstall überliess.

Durch gute und vor allen Dingen  kluge Behandlung verhalf das geschulte Personal dem Pferd zu einem ruhigen und ausgeglichenen Charakter. Der Jockei Otto Rohne ritt den „Draufgänger“ zu und siegte mit ihm danach in vielen Rennen. An einem Renntag lief Frondeur sogar in zwei Rennen, zu der damaligen Zeit nicht unüblich, und holte sich nach dem ersten Preis auch gleich noch einen 2. Platz.

Die Erfolge des Werner Rennstalles, der über drei Jahrzehnte einen geachteten, teilweise sogar „gefürchteten“ Ruf auf Deutschland`s Pferderennbahnen hatte, sind in erster Linie den aussergewöhnlichen Fähigkeiten meines Ur-Grossvaters zuzuschreiben, der in Rennsportzirkeln nur bei seinem Spitznamen „Barbarossa“, wegen seines Bartes, genannt wurde. Aber auch meinem Ur-Grossvater wären ohne die absolute Treue und Zuverlässigkeit seiner Angestellten nur halbe Erfolge zuteil geworden. Seine Hauptstütze, Trainer Hagemann, war von seinem 20. Lebensjahr bis zur Auflösung des Stalles bei ihm. Jahrzehnte beschwerlicher Eisenbahntransporte vom Stall zu den Rennplätzen und zurück, meisterte Hagemann ohne Unfälle und Unpünktlichkeiten.

Im Jahr 1911 starben etliche wertvolle Tiere durch die plötzlich auftretende Seuche „Pferdeenzephalomyelitis“. Ein weiterer Rückschlag für den Werner Rennstall bedeutete der Beginn des ersten Weltkrieges (1914) und die kriegbedingte Abgabe von 10 Vollblütern an verschiedene Kavallerieregimenter. Diese Ereignisse, und das zunehmende Alter meines Ur-Grossvaters, der bei Kriegsausbruch 63 Jahre alt war, führten im Jahr 1919 zu Auflösung des Werner Stalles.

„Papa Then-Bergh“, wie der immer liebenswürdige alte Herr von der Werner Bevölkerung genannt wurde, starb am 23. Oktober 1926. Noch lange Jahre danach wurde der grosse Rennfachmann durch das „Rudolph Then-Bergh-Gedächtnisrennen“ geehrt, ein Hindernisrennen über 1500 m, ausgetragen auf der Rennbahn in Dortmund-Wambel.

(Quellen: Familienchronik/Sankt Georg)